Der
Pegel des Yukon fiel jedoch in den folgenden Tagen stündlich
um mehrere Zentimeter. Erste Kiesbänke tauchten auf, das
Campen wurde zunehmend angenehmer. Keine Moskitos, jede Menge
Treibholz und ein freier Blick über den Fluss, genau das
war es, was ich mir wünschte. Drei Tage später, paddelte
ich hinter Circle in die Yukon Flats, einem riesigen, 400 Kilometer
langen Sumpfgebiet. Der Fluss ist dort stellenweise 10 Kilometer
breit. Tausende Flussinseln und riesige Sandbänke verwandeln
ihn in ein gigantisches Labyrinth. Eine Insel sieht aus wie die
andere. Ganze Flussarme verlanden und enden irgendwo im Sumpf.
In den Flats zu navigieren, ist praktisch unmöglich. Die
Horizontlinie ist bretteben, Karte und Kompass helfen nur bedingt.
Und ein GPS hatte ich nicht. Und selbst wenn ich eins gehabt hätte,
hätte es nicht viel genutzt, denn die Karten sind zum Teil
50 Jahre alt und der Flusslauf hat sich in den Jahren verändert.
Also blieb ich in der Hauptströmung und hoffte darauf, irgendwann
wieder aus den Flats herausgespült zu werden.
Vier
Indianersiedlungen liegen in den Yukon Flats, einem Gebiet mit
extremen Temperaturen. Im Winter fallen sie auf unter -50 Grad
Celsius. Im Sommer schwitzt man wochenlang bei Temperaturen von
30 Grad, plus wohlgemerkt.
In
Beaver, einer der Siedlungen, traf ich Toru. Er ist Japaner und
paddelte mit seinem gelben Faltboot alleine durch Alaska. Wir
verstanden uns trotz aller kulturellen Gegensätze und beschlossen
den Rest des Flusses gemeinsam anzugehen.
Nach
einer Woche im Irrgarten der Flats zwängte sich der Yukon
wieder in ein richtiges Flussbett. Wenig später erreichten
wir die Yukon River Brücke und die Transalaskapipeline. Dort
feierten wir Halbzeit, die letzte Straße und die kommenden
1600 Kilometer bis zum Meer.
Anfang
Juli kamen die ersten Lachse und auf dem Fluss wurde es hektisch.
Täglich sahen wir Motorboote, die zu den Fischcamps rasten.
Fischräder
drehten sich am Ufer, hinter Felsnasen
waren Netze gesetzt. Bis zu 5 Millionen Lachse werden jährlich
am Yukon gefangen. Zum Teil kommerziell, zum Teil aber auch für
den Eigenbedarf der Indianer. Am Ufer standen riesige Trockengestelle,
auf denen tausende Lachse als Hundefutter in der Sonne trockneten.
In wellblechverkleideten Räucherkammern wurden die Fische
über einem qualmenden Erlen- oder Pappelfeuer geräuchert.
Einige Indianer warfen die Eingeweide der Fische einfach in den
Fluss. Etwas stromab wurden sie wieder angespült und lockten
Bären an. Insbesondere im Rampart Canyon warnten uns die
Indianer ständig vor Bären. Aber es war halb so wild,
im Schnitt sahen wir einen pro Woche. Die meisten Begegnungen
dauerten zudem nur wenige Sekunden, dann war der Bär verschwunden.
Einmal hatten wir beim Anlegen einen Schwarzbären überrascht,
der sich dermaßen in die Hose machte, dass er gleich auf
den nächstbesten Baum geflüchtet ist. Der Bär,
wohlgemerkt, nicht wir!